Volksstimmeartikel vom 03.11.2009, in der Lokalausgabe Magdeburg
URL: http://www.volksstimme.de/vsm/saxo/lokalausgaben/magdeburg/?em_cnt=1525869
Ein Sudenburger Meisterwerk
Von Jens-Uwe Jahns
Kletterlandschaft für Waldorfkindergarten in Sudenburg: Sie haben
maßgeblich dazu beigetragen, dass die Kletterlandschaft tatsächlich
Wirklichkeit wurde: Olaf Korsack, Arnulf Wenning, Annette Schöpke,
Johannes Madeleyn, Leander Dreißig (untere Reihe v.l.), Heiko Thieme,
Stefan Köder, Henry Sattler, Jan Wernicke, Stefan Brinkmann und Daniel
Krause (hintere Reihe v.l.). Fotos (2): Jens-Uwe Jahns
Mit
langem Atem und viel Schweiß haben Eltern des Sudenburger
Waldorfkindergartens dafür gesorgt, dass ihre Kinder auch künftig
kletternd die Welt erkunden können. Das wahrscheinlich aufregendste
Jahr im Leben des Kindergartens fand in dieser Woche sein Happy End.
Sudenburg.
Nach nur acht Jahren verfügte der TÜV das Aus für das
Lieblingsspielgerät der 70 Waldorf-Kindergartenkinder in der
Astonstraße 64: Der Kletterturm im Freigelände war durchgefault. Die
traurigen Gesichter der Kinder gingen den Müttern und Vätern bis ins
Mark. Doch so schnell der Entschluss für einen Ersatz gefasst war, so
schnell kam die Ernüchterung. Denn ein erster Kostenvoranschlag der
Stuttgarter Holzspielgerätefirma "Kukuk" traf die Eltern wie ein
Schlag: 17 000 Euro. Jan Wernecke, Vater von Hans (5) und Helene (2),
war einer der wenigen, der die Flinte nicht auf der Stelle ins Korn
warf: "Wir haben zwar wenig Geld, aber viel Enthusiasmus."
Die
Folge: Annette Schöpke, Geschäftsführerin vom Verein "Freier
Waldorfkindergarten Magdeburg", verhandelte mit der Firma, wie viel man
mit Eigenleistung sparen würde. Die höchste Quote wurde bei der
Holzbeschaffung und beim Aufbau in Aussicht gestellt. Ein Glück, dass
Jan Werneckes Vater bei Klötze einen Wald sein Eigen nennt, in dem auch
Robinien wachsen. Denn nur dieses Holz garantiert eine 20-jährige
Lebensdauer als Kletterlandschaft. Der Haken: Die Robinien-Rundhölzer
mussten nicht nur entrindet, sondern auch entsplintet werden. Für
Amateure klingt das einfach, in der Praxis aber stellt sich das als
knochenharter Job dar. Immerhin waren 28 Robinien (zwischen 25 und 80
Jahre alt) nötig, um die geforderten 250 laufende Meter Rundholz
aufzubringen. Seit der Fällung im März 2009 haben 13 Väter an jedem
Wochenende im Klötzer Wald mit Spezialfräsen Blut und Wasser
geschwitzt, um die Robinien so zu bearbeiten, dass sie für die
Kletterlandschaft brauchbar waren. Der schweißtreibende Einsatz sparte
dem Kindergarten zwar 4300 Euro ein, aber 13 000 Euro waren noch immer
vonnöten, um das Meisterwerk zu vollenden.
Ein Jahr lang gab es
im Waldorfkindergarten Kuchenbasare ohne Ende, es wurde alles Mögliche
gebastelt, um es auf Märkten zu Geld zu machen. Mütter und Omas, Väter
und Opas, ganze Familien und Nachbarschaften halfen mit beim
Geldauftreiben.
Nach einem Jahr war das
ebenso geschafft wie die Männer aus dem Wald. Zum finalen Akt traf sich
der harte Kern in der vergangenen Woche auf dem Freigelände des
Kindergartens. Fünf Tage lang baute man von 8 bis 18 Uhr die
Kletterlandschaft unter Anleitung der Kukuk-Leute auf. Unterstützt von
fünf Jugendlichen und drei Sozialarbeitern des "Tagelöhner-Projektes"
des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. "Das waren tolle Jungs, die
richtig Gas gegeben haben", lobt Annette Schöpke. Am Freitag der
Vorwoche war es endlich geschafft: Der 5,50 Meter hohe Kletterturm
stand ebenso wie die Hängebrücke, auf der die Kinder balancieren und
klettern können. Selbst der Mann vom TÜV hatte nichts gegen die
Kletterlandschaft einzuwenden.
Zuvor hatten sich die Eltern den
Beton, in dem die großen Balken Halt im Erdreich finden, zum Fahrpreis
erbettelt, Fallschutzsplitt gab es sogar gratis und zwei Spezialfräsen
zum Entsplinten zum Preis von einer.
Ebenso
durchgeschwitzt wie stolz schauten sich die Väter, längst mit reichlich
Blasen an den Händen überversorgt, ihr Meisterwerk am Freitag an. Doch
ein Blick zur Seite, wo ihre Kinder tagelang ungeduldig auf
"Bauarbeiter Papa" schauten, genügte, um jeden Schmerz zu vergessen.
Wenn heute Kletterpremiere gefeiert wird, strahlen die Kinder mit ihren
Eltern garantiert um die Wette.
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Dokument erstellt am 03.11.2009 um 08:54:02 Uhr
Erscheinungsdatum 03.11.2009 | Ausgabe: mdx
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