Volksstimmeartikel vom 03.11.2009, in der Lokalausgabe Magdeburg

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Ein Sudenburger Meisterwerk
Von Jens-Uwe Jahns



Mit langem Atem und viel Schweiß haben Eltern des Sudenburger Waldorfkindergartens dafür gesorgt, dass ihre Kinder auch künftig kletternd die Welt erkunden können. Das wahrscheinlich aufregendste Jahr im Leben des Kindergartens fand in dieser Woche sein Happy End.

Sudenburg. Nach nur acht Jahren verfügte der TÜV das Aus für das Lieblingsspielgerät der 70 Waldorf-Kindergartenkinder in der Astonstraße 64: Der Kletterturm im Freigelände war durchgefault. Die traurigen Gesichter der Kinder gingen den Müttern und Vätern bis ins Mark. Doch so schnell der Entschluss für einen Ersatz gefasst war, so schnell kam die Ernüchterung. Denn ein erster Kostenvoranschlag der Stuttgarter Holzspielgerätefirma "Kukuk" traf die Eltern wie ein Schlag: 17 000 Euro. Jan Wernecke, Vater von Hans (5) und Helene (2), war einer der wenigen, der die Flinte nicht auf der Stelle ins Korn warf: "Wir haben zwar wenig Geld, aber viel Enthusiasmus."

Die Folge: Annette Schöpke, Geschäftsführerin vom Verein "Freier Waldorfkindergarten Magdeburg", verhandelte mit der Firma, wie viel man mit Eigenleistung sparen würde. Die höchste Quote wurde bei der Holzbeschaffung und beim Aufbau in Aussicht gestellt. Ein Glück, dass Jan Werneckes Vater bei Klötze einen Wald sein Eigen nennt, in dem auch Robinien wachsen. Denn nur dieses Holz garantiert eine 20-jährige Lebensdauer als Kletterlandschaft. Der Haken: Die Robinien-Rundhölzer mussten nicht nur entrindet, sondern auch entsplintet werden. Für Amateure klingt das einfach, in der Praxis aber stellt sich das als knochenharter Job dar. Immerhin waren 28 Robinien (zwischen 25 und 80 Jahre alt) nötig, um die geforderten 250 laufende Meter Rundholz aufzubringen. Seit der Fällung im März 2009 haben 13 Väter an jedem Wochenende im Klötzer Wald mit Spezialfräsen Blut und Wasser geschwitzt, um die Robinien so zu bearbeiten, dass sie für die Kletterlandschaft brauchbar waren. Der schweißtreibende Einsatz sparte dem Kindergarten zwar 4300 Euro ein, aber 13 000 Euro waren noch immer vonnöten, um das Meisterwerk zu vollenden.

Ein Jahr lang gab es im Waldorfkindergarten Kuchenbasare ohne Ende, es wurde alles Mögliche gebastelt, um es auf Märkten zu Geld zu machen. Mütter und Omas, Väter und Opas, ganze Familien und Nachbarschaften halfen mit beim Geldauftreiben.

Nach einem Jahr war das ebenso geschafft wie die Männer aus dem Wald. Zum finalen Akt traf sich der harte Kern in der vergangenen Woche auf dem Freigelände des Kindergartens. Fünf Tage lang baute man von 8 bis 18 Uhr die Kletterlandschaft unter Anleitung der Kukuk-Leute auf. Unterstützt von fünf Jugendlichen und drei Sozialarbeitern des "Tagelöhner-Projektes" des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. "Das waren tolle Jungs, die richtig Gas gegeben haben", lobt Annette Schöpke. Am Freitag der Vorwoche war es endlich geschafft: Der 5,50 Meter hohe Kletterturm stand ebenso wie die Hängebrücke, auf der die Kinder balancieren und klettern können. Selbst der Mann vom TÜV hatte nichts gegen die Kletterlandschaft einzuwenden.

Zuvor hatten sich die Eltern den Beton, in dem die großen Balken Halt im Erdreich finden, zum Fahrpreis erbettelt, Fallschutzsplitt gab es sogar gratis und zwei Spezialfräsen zum Entsplinten zum Preis von einer.

Ebenso durchgeschwitzt wie stolz schauten sich die Väter, längst mit reichlich Blasen an den Händen überversorgt, ihr Meisterwerk am Freitag an. Doch ein Blick zur Seite, wo ihre Kinder tagelang ungeduldig auf "Bauarbeiter Papa" schauten, genügte, um jeden Schmerz zu vergessen. Wenn heute Kletterpremiere gefeiert wird, strahlen die Kinder mit ihren Eltern garantiert um die Wette.



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Dokument erstellt am 03.11.2009 um 08:54:02 Uhr
Erscheinungsdatum 03.11.2009 | Ausgabe: mdx

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